1. November 2021 / Allgemeines

Auf dem Weg zum Nachweis des Gravitationswellen-Hintergrunds im Nanohertz-Bereich

Wie entstehen Galaxien?

Das European Pulsar Timing Array markiert ei-nen wichtigen Schritt nach vorn

Die Forschungs-Kollaboration EPTA (das „European Pulsar Timing Array“) berichtet über das Ergebnis einer 24-jährigen Beobachtungskampagne mit den fünf größten europäi-schen Radioteleskopen. Die Kampagne hat zu einem möglichen Signal für den seit langem gesuchten Gravitationswellenhintergrund (GWB) geführt, der von einander in geringem Abstand umkreisende supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien erwartet wird. Die Kooperation bringt Teams von Astronom*innen an den Instituten der großen europäischen Radioteleskope zusammen, sowie Forschergruppen, die auf die Datenanalyse und die Modellierung von Gravitationswellensignalen spezialisiert sind. Unter Ihnen auch Astropysiker*innen der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Joris Verbiest von der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld. Obwohl ein eindeutiger Nachweis damit noch nicht gelungen ist, so stellt es doch einen wichtigen Schritt dar, erstmals Gravitationswellen bei sehr niedrigen Frequenzen im Nanohertz-Bereich aufzuspüren. Die Ergebnisse werden online in der Fachzeitschrift “Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” veröffentlicht.

Dieses Ergebnis wurde möglich aufgrund eines Datensatzes, der über einen langen Zeitraum von 24 Jahren mit den fünf großen europäischen Radioteleskopen gesammelt wurde. Dazu gehören das 100-m-Radioteleskop des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie bei Effelsberg, das 76-m-Lovell-Teleskop in Cheshire/Großbritannien, das Nançay-Teleskop für Dezimeterradiowellen in Frankreich, das 64-m-Radioteleskop bei Pranu Sanguni (Sardinien/Italien) sowie die 16 Antennen des Westerbork-Synthesis-Radioteleskops in den Niederlanden. Im Beobachtungsmodus des „Large European Array for Pulsars“ (LEAP) sind diese fünf Teleskope so miteinander verbunden, dass sie ein virtuelles voll bewegliches 200-m-Radioteleskop darstellen, mit dem die Empfindlichkeit des EPTA für Gravitationswellen erheblich verbessert wird.

Die Forschenden beobachten die von den Magnetpolen der rotierenden Pulsaren ausgehenden Strahlen als Pulse, wenn sie die Sichtlinie passieren, ähnlich wie beim Licht eines fernen Leuchtturms. Pulsar Timing Arrays (PTAs) sind Netzwerke von sehr stabil rotierenden Pulsaren, die als Detektoren für Gravitationswellen im galaktischen Maßstab eingesetzt werden. Sie sind insbesondere empfindlich für sehr niederfrequente Gravitationswellen im Milliardstel-Hertz- oder Nanohertz-Bereich. Dadurch wird das Beobachtungsfenster für Gravitationswellen von den hohen Frequenzen mit Hunderten von Hertz erweitert, wie es derzeit von bodengestützten Observatorien (LIGO, Virgo, KAGRA) beobachtet wird. Während deren Detektoren kurzzeitige Kollisionen von stellaren Schwarzen Löchern und Neutronensternen untersuchen, können mit den Pulsar Timing Arrays Gravitationswellen untersucht werden, wie sie von Systemen umeinander rotierender und langsam sich annähernder supermassereicher Schwarzer Löcher in den Zentren von Galaxien ausgesandt werden. Die Addition der Gravitationswellen, die von einer kosmischen Population dieser Binärsysteme freigesetzt werden, bildet den Gravitationswellenhintergrund.

"Wir können kleine Änderungen in den Ankunftszeiten der Radiosignale der Pulsare auf der Erde messen, die durch die Deformation der Raumzeit aufgrund einer durchlaufenden Gravitationswelle sehr niedriger Frequenz verursacht werden. In der Praxis zeigen sich diese Defor-mationen in der Raumzeit als Quellen eines sehr niederfrequenten Rauschens in der Reihe der beobachteten Ankunftszeiten der Pulse, ein Rauschen, das von allen Pulsaren eines Pulsar Timing Arrays gemeinsam erfasst wird", erklärt Dr. Jun Wang, der kürzlich an der Universität Bielefeld zu diesem Thema promoviert hat.

Die Amplitude dieses Rauschens ist jedoch unglaublich winzig (schätzungsweise zwischen zehn und ein paar hundert Milliardstel Sekunden), und im Prinzip könnten viele andere Effekte ein entsprechendes Rauschen auf jeden einzelnen Pulsar im Pulsar Timing Array übertragen. Zur Validierung der Ergebnisse wurden dann mehrere unabhängige Auswertungsprogramme mit unterschiedlichen statistischen Rahmen verwendet, um alternative Rauschquellen ausschließen zu können und nach dem Gravitationswellenhintergrund zu suchen. Wichtig ist, dass zwei unabhängige Verfahren im kompletten Verlauf der Analyse verwendet wurden, um eine gegenseitige Konsistenz zu gewährleisten.
Die Analyse mit beiden Verfahren im Rahmen der EPTA-Beobachtungen ergab ein klares Kan-idatensignal für einen Gravitationswellenhintergrund.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt eine ganz bestimmte Beziehung zwischen den Raumzeitverformungen voraus, die die Radiosignale von Pulsaren erfahren, die sich in verschiedenen Himmelsrichtungen befinden. Die Wissenschaftler*innen bezeichnen dies als die räumliche Korrelation des Signals oder die sogenannte Hellings-Downs-Kurve. Ihr Nachweis kann das beobachtete Rauschen als eindeutig von einem Gravitationswellenhintergrund verursacht identifizieren. Dr. Siyuan Chen, Forscher am Laboratoire de Physique et de Chimie de l'Environnement et de l'Espace in Orleans, einer der beiden leitenden Autoren der Untersuchung bemerkt dazu: "Im Moment erlauben es uns die statistischen Unsicherheiten in unseren Messungen noch nicht, das Vorhandensein der für das Gravitationswellen-Hintergrundsignal erwarteten räumlichen Korrelation zu identifizieren. Für eine weitere Bestätigung müssen wir eine noch größere Zahl von Pulsardaten in die Analyse einbeziehen, aber die aktuellen Ergebnisse sind bereits sehr ermutigend."

Prof. Dr. Joris Verbiest, Gruppenleiter an der Universität Bielefeld und eines der führenden Mitglieder des European Pulsar Timing Array Consortiums, fasst zusammen: "Es ist wirklich befriedigend, endlich erste Hinweise auf ein Signal zu sehen, die die Erwartung untermauern, dass wir bald einen neuen Teil des Gravitationswellenspektrums erschließen werden, der es uns ermöglichen wird, die Entstehungsgeschichte von Galaxien im Laufe der kosmischen Zeit im Detail zu studieren."

Kontakt:
Prof. Dr. Joris Verbiest
Universität Bielefeld
Telefon: 0521 106 3184
E-Mil: verbiest@physik.uni-bielefeld.de

Die Autoren der Originalveröffentlichung umfassen S. Chen, R. N. Caballero, Y. J. Guo, A. Chalumeau, K. Liu, G. Shaifullah, K. J. Lee, S. Babak, G. Desvignes, A. Parthasarathy, H. Hu, E. van der Wateren, J. Antoniadis, A.-S. Bak Nielsen, C. G. Bassa, A. Berthereau, M. Burgay, D. J. Champion, I. Cognard, M. Falxa, R. D. Ferdman, P. C. C. Freire, J. R. Gair, E. Graikou, L. Guil-lemot, J. Jang, G. H. Janssen, R. Karuppusamy, M. J.Keith, M. Kramer, X. J. Liu, A. G. Lyne, R. A. Main, J. W. McKee, M. B. Mickaliger, B. B. P. Perera, D. Perrodin, A. Petiteau, N. K. Porayko, A. Possenti, A. Samajdar, S. A. Sanidas, A. Sesana, L. Speri, B.W. Stappers, G. Theureau, C. Tiburzi, A. Vecchio, J. P. W. Verbiest, J. Wang, L. Wang und H. Xu.
Darunter sind folgende Autoren der Universität Bielefeld: Ann-Sofie Bak Nielsen, Joris Verbiest, Jun Wang.

Originalveröffentlichung:
S. Chen et al: Common-red-signal analysis with 24-yr high-precision timing of the European Pulsar Timing Array: Inferences in the stochastic gravitational-wave background search, 2021, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (https://doi.org/10.1093/mnras/stab2833 or
https://academic.oup.com/mnras/article/508/4/4970/6410749)

Weitere Informationen:
European Pulsar Timing Array (EPTA)
http://www.epta.eu.org/

International Pulsar Timing Array (IPTA)
http://www.ipta4gw.org/

Künstlerische Darstellung des Ergebnisses der „European Pulsar Timing Array“-Beobachtungskampagne. Ein koordiniertes Netzwerk europäischer Radioteleskope beobachtet eine Reihe von Pulsaren, die über den Himmel verteilt sind. Anhand der gemessenen Variationen in der Ankunftszeit der von den Pulsaren ausgesandten Sig-nale auf der Erde können die Astronomen winzige Schwankungen in der Raumzeit untersuchen. Solche Verände-rungen aus ferner Vergangenheit in der Struktur der Raumzeit, die auch als Gravitationswellen bezeichnet wer-den, verbreiten sich noch immer im Universum. Sie gehen zurück auf eine Zeit, als Galaxien miteinander ver-schmolzen und die supermassereichen schwarzen Löcher in ihren Zentren einander mit einer Periode von nur wenigen Jahren umkreisten und dadurch Gravitationswellen erzeugten. Bildrechte: Michael Kramer/MPIfR

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